George Michale nimmt sich den FREIheit keinen Popsongs mehr produzieren
George Michael auf dem 55.Berlinale
Ich war die männliche Kylie
"A Different Story": George Michael hat auf der Berlinale seinen Nachruf zu Lebzeiten präsentiert
Und was hält der Künstler vom aktuellen Achtzigerjahre-Revival? "Gute Sache, ich verdiene damit einen Haufen Geld. Hauptsache ist nur, dass es bei der Musik bleibt. Und die Achtzigerjahre-Mode nicht mit zurückkehrt." Das sagt George Michael? Der Mann mit der geföntesten Fönfrisur aller Zeiten? Den gepolstertsten Polsterjacketts und steingewaschensten Steinwaschhosen der Bekleidungsgeschichte? Der Erfinder der in den Ärmeln hochgekrempelten Glattlederjacke, die überdies noch in Brusthöhe Fransen besitzt? "Wissen Sie", sagt der Mann fast etwas kleinlaut, "ich bin in den Achtzigerjahren für so viele modische Verbrechen verantwortlich gewesen. Ich übernehme hiermit ausdrücklich die Verantwortung dafür. Und entschuldige mich. Aber ich war damals ein unreifer Mensch. Wenn ich mir alte Aufnahmen ansehe, dann sage ich mir immer: eigentlich war ich so etwas wie die männliche Kylie Minogue. Die stand ja am Anfang ihrer Karriere auch immer mit dusseligem Blick in der Gegend herum und ließ sich den letzten Tand überziehen. Bis sie Michael Hutchence kennengelernt hat den inzwischen verstorbenen Sänger der Band INXS
"Der hat aus ihr einen richtigen Menschen gemacht."
In dem George-Michael-Film "A Different Story", den George Michael am Mittwoch auf der Berlinale vorstellte, kann man nun nicht nur den Mann kennenlernen, der George Michael sein Michael Hutchence gewesen ist (er hieß Anselmo und kam aus Brasilien); es gibt auch noch einmal gute Gelegenheit dazu, sich den Künstler als jungen, also noch nicht so richtigen Menschen vor Augen zu führen - und seine Entwicklung von der männlichen Kylie zum letzten überlebenden Großpopstar, der nicht nur musizieren, sondern auch denken kann; dies jedenfalls entsprechend der Einschätzung von George Michael selbst.
Von den ersten Singles, die er Anfang der Achtzigerjahre mit Andrew Ridgeley unter dem Namen Wham! produzierte (zum Beispiel "Wake Me Up Before You Go Go" oder das wunderbare, zur Weihnachtszeit immer wieder gern gehörte "Last Christmas") bis zu seinen neueren Solo-Schallplatten wird Michaels künstlerischer Werdegang rekonstruiert; ebenso sein persönlicher Wandel: vom heiter herauf- und herunterhüpfenden Diskomäuserich bis zur branchenweit gefürchteten Superzicke, die ihre Schallplattenfirma in endlose Gerichtsstreitigkeiten verwickelt und zuletzt ganz mit der Musikindustrie bricht. Tatsächlich ist "A Different Story" so etwas wie ein Nachruf zu Lebzeiten geworden: George Michaels letztes Album "Patience", im Frühjahr 2004 vor Beginn der Filmarbeiten fertiggestellt, war vom Künstler ja schon bei Erscheinen zum letzten George-Michael-Album überhaupt erklärt worden. Wenn er in Zukunft noch Popsongs produzieren werde, hatte er damals gesagt, stelle er sie allenfalls auf seiner Homepage zum kostenlosen Download bereit.
Am wahrscheinlichsten sei aber, dass er überhaupt keine Popsongs mehr produziere. Denn wie George Michael in Berlin noch einmal erklärte, ist die Zeit des Pop unwiderruflich vorbei. "Künstler wie Madonna, Prince oder George Michael", so George Michael, "gibt es heute nicht mehr. Es ist alles so fragmentiert! Die Musikindustrie lässt das nicht mehr zu, dass jemand ganz groß herauskommt." Und wenn jemand ganz groß herauskommt, dann taugt er nichts. "Es macht einfach keinen Spaß mehr, Platten herauszubringen - weil es niemanden gibt, der sich mit mir messen könnte. Was für einen Sinn kann es haben, in den Charts gegen Typen wie Robbie Williams anzutreten? Oder gegen diese Pop-Idol-Leute? Das ist nicht meine Liga - ohne dabei jetzt wie ein Snob klingen zu wollen." Wie soll man eine solche Selbsteinschätzung statt dessen verstehen? "Das Genre, in dem ich groß geworden bin, ist verschwunden. Es gibt keinen Pop mehr. Pop ist tot. Alles, was es heute noch gibt, ist etwas, das ich Poprock nennen würde. Im Gegensatz zum Pop ist der äußerst lebendig, gerade auch britischer Poprock. Nehmen Sie Bands wie Oasis und Blur oder Coldplay und jetzt zuletzt die tollen Keane; als Poprock-Band hat man immer noch eine Chance, erfolgreich zu sein." Und was unterscheidet den Poprock vom Pop? "Dass die Plattenfirmen weniger Einfluss darauf haben. Wenn man Pop machen will, nimmt man ein Demo auf und geht damit zu einem Label. Dort steht man einem unfähigen A&R Artist-&-Repertoire-Manager gegenüber, und der sagt: Also, ich sehe da kein Hitpotenzial. So ging es uns auch mit ,Careless Whisper'.
Wenn man eine Poprockband ist, entscheiden die Kids auf der Straße. Man gibt Konzerte, erspielt sich einen Ruf und geht dann erst zur Plattenfirma - da können die A&Rs dann nicht mehr soviel verderben."
Zwei Aspekte sind an "A Different Story" besonders interessant. Zum einen, dass der Film weit weniger interessant ist als es die dazugehörige Pressekonferenz war. Zum anderen, dass er nach all den Vorwürfen des Anti-Amerikanismus, die George Michael anlässlich seiner Anti-Irak-Kriegs-Singles und -Videos gemacht wurden, in auffälliger Weise amerikanisch anmutet. Eine Lebensbeichte, in der sich jemand erklärt und öffnet und für sein rückblickend manchmal etwas sonderbares Verhalten um Verständnis bittet - "die Amerikaner lieben so etwas!", wie eine amerikanische Kollegin während der Pressekonferenz sagte. "Sie verzeihen Ihnen bestimmt! Und kaufen in Zukunft sicher auch wieder Ihre Platten"
Ich war die männliche Kylie
"A Different Story": George Michael hat auf der Berlinale seinen Nachruf zu Lebzeiten präsentiert
Und was hält der Künstler vom aktuellen Achtzigerjahre-Revival? "Gute Sache, ich verdiene damit einen Haufen Geld. Hauptsache ist nur, dass es bei der Musik bleibt. Und die Achtzigerjahre-Mode nicht mit zurückkehrt." Das sagt George Michael? Der Mann mit der geföntesten Fönfrisur aller Zeiten? Den gepolstertsten Polsterjacketts und steingewaschensten Steinwaschhosen der Bekleidungsgeschichte? Der Erfinder der in den Ärmeln hochgekrempelten Glattlederjacke, die überdies noch in Brusthöhe Fransen besitzt? "Wissen Sie", sagt der Mann fast etwas kleinlaut, "ich bin in den Achtzigerjahren für so viele modische Verbrechen verantwortlich gewesen. Ich übernehme hiermit ausdrücklich die Verantwortung dafür. Und entschuldige mich. Aber ich war damals ein unreifer Mensch. Wenn ich mir alte Aufnahmen ansehe, dann sage ich mir immer: eigentlich war ich so etwas wie die männliche Kylie Minogue. Die stand ja am Anfang ihrer Karriere auch immer mit dusseligem Blick in der Gegend herum und ließ sich den letzten Tand überziehen. Bis sie Michael Hutchence kennengelernt hat den inzwischen verstorbenen Sänger der Band INXS
"Der hat aus ihr einen richtigen Menschen gemacht."
In dem George-Michael-Film "A Different Story", den George Michael am Mittwoch auf der Berlinale vorstellte, kann man nun nicht nur den Mann kennenlernen, der George Michael sein Michael Hutchence gewesen ist (er hieß Anselmo und kam aus Brasilien); es gibt auch noch einmal gute Gelegenheit dazu, sich den Künstler als jungen, also noch nicht so richtigen Menschen vor Augen zu führen - und seine Entwicklung von der männlichen Kylie zum letzten überlebenden Großpopstar, der nicht nur musizieren, sondern auch denken kann; dies jedenfalls entsprechend der Einschätzung von George Michael selbst.
Von den ersten Singles, die er Anfang der Achtzigerjahre mit Andrew Ridgeley unter dem Namen Wham! produzierte (zum Beispiel "Wake Me Up Before You Go Go" oder das wunderbare, zur Weihnachtszeit immer wieder gern gehörte "Last Christmas") bis zu seinen neueren Solo-Schallplatten wird Michaels künstlerischer Werdegang rekonstruiert; ebenso sein persönlicher Wandel: vom heiter herauf- und herunterhüpfenden Diskomäuserich bis zur branchenweit gefürchteten Superzicke, die ihre Schallplattenfirma in endlose Gerichtsstreitigkeiten verwickelt und zuletzt ganz mit der Musikindustrie bricht. Tatsächlich ist "A Different Story" so etwas wie ein Nachruf zu Lebzeiten geworden: George Michaels letztes Album "Patience", im Frühjahr 2004 vor Beginn der Filmarbeiten fertiggestellt, war vom Künstler ja schon bei Erscheinen zum letzten George-Michael-Album überhaupt erklärt worden. Wenn er in Zukunft noch Popsongs produzieren werde, hatte er damals gesagt, stelle er sie allenfalls auf seiner Homepage zum kostenlosen Download bereit.
Am wahrscheinlichsten sei aber, dass er überhaupt keine Popsongs mehr produziere. Denn wie George Michael in Berlin noch einmal erklärte, ist die Zeit des Pop unwiderruflich vorbei. "Künstler wie Madonna, Prince oder George Michael", so George Michael, "gibt es heute nicht mehr. Es ist alles so fragmentiert! Die Musikindustrie lässt das nicht mehr zu, dass jemand ganz groß herauskommt." Und wenn jemand ganz groß herauskommt, dann taugt er nichts. "Es macht einfach keinen Spaß mehr, Platten herauszubringen - weil es niemanden gibt, der sich mit mir messen könnte. Was für einen Sinn kann es haben, in den Charts gegen Typen wie Robbie Williams anzutreten? Oder gegen diese Pop-Idol-Leute? Das ist nicht meine Liga - ohne dabei jetzt wie ein Snob klingen zu wollen." Wie soll man eine solche Selbsteinschätzung statt dessen verstehen? "Das Genre, in dem ich groß geworden bin, ist verschwunden. Es gibt keinen Pop mehr. Pop ist tot. Alles, was es heute noch gibt, ist etwas, das ich Poprock nennen würde. Im Gegensatz zum Pop ist der äußerst lebendig, gerade auch britischer Poprock. Nehmen Sie Bands wie Oasis und Blur oder Coldplay und jetzt zuletzt die tollen Keane; als Poprock-Band hat man immer noch eine Chance, erfolgreich zu sein." Und was unterscheidet den Poprock vom Pop? "Dass die Plattenfirmen weniger Einfluss darauf haben. Wenn man Pop machen will, nimmt man ein Demo auf und geht damit zu einem Label. Dort steht man einem unfähigen A&R Artist-&-Repertoire-Manager gegenüber, und der sagt: Also, ich sehe da kein Hitpotenzial. So ging es uns auch mit ,Careless Whisper'.
Wenn man eine Poprockband ist, entscheiden die Kids auf der Straße. Man gibt Konzerte, erspielt sich einen Ruf und geht dann erst zur Plattenfirma - da können die A&Rs dann nicht mehr soviel verderben."
Zwei Aspekte sind an "A Different Story" besonders interessant. Zum einen, dass der Film weit weniger interessant ist als es die dazugehörige Pressekonferenz war. Zum anderen, dass er nach all den Vorwürfen des Anti-Amerikanismus, die George Michael anlässlich seiner Anti-Irak-Kriegs-Singles und -Videos gemacht wurden, in auffälliger Weise amerikanisch anmutet. Eine Lebensbeichte, in der sich jemand erklärt und öffnet und für sein rückblickend manchmal etwas sonderbares Verhalten um Verständnis bittet - "die Amerikaner lieben so etwas!", wie eine amerikanische Kollegin während der Pressekonferenz sagte. "Sie verzeihen Ihnen bestimmt! Und kaufen in Zukunft sicher auch wieder Ihre Platten"
free - 2005/02/20 15:08